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Männer in den Bergen

Die Reise eines Mannes durch eine Wildnis fern der Zivilisation, wird sein Leben verändern.

»Der alte Arnust will uns hier in der Nähe irgendwo treffen«, sagte Mike zu mir, als wir schwer beladen durch den Morgennebel stapften, um uns herum weit und breit nur Bäume, Steine und Hügel. Es lag eine seltsame Stimmung in der Luft. Nichts deutete auf andere Menschen, auf die Zivilisation hin. Diese Stille wirkte erdrückend auf mich. Ich war in der Stadt aufgewachsen, völlige Ruhe war mir unbekannt. »Das einzige, was noch fehlt«, dachte ich bei mir, »ist ein Wolfsheulen. Dann bin ich so weit, dass ich mein Handy zücke und einen Rettungshubschrauber rufe!« Der Gedanke war kaum mehr als ein persönlicher Scherz, doch wie ich später erfuhr, hätte das tatsächlich passieren können. Es gab seit einigen Jahren wieder Wölfe in der Gegend. Damals wusste ich das aber zum Glück nicht, außerdem war mir in dem Moment auch nicht bewusst, dass kein Kommunikationsunternehmen es auch nur in Erwägung gezogen hatte, in dieser Wildnis Handy-Empfang zu ermöglichen.

»Weißt du überhaupt, wo wir sind?«, beschwerte ich mich müde bei Mike, als wir durch das kniehohe, taufeuchte Gras stapften. Meine Hose war bereits feucht, als wir das weite Feld verließen und die Baumgrenze erreichten. Das Gewehr in meiner Hand kam mir mittlerweile schwerer vor als der Rucksack. Unter den Bäumen war es trockener. Blätter und Zweige knackten unter unseren Schritten und das Geräusch hallte dumpf umher.

»Sicher«, sagte Mike. »Es ist nur so, dass Arnust nicht immer an derselben Stelle wartet. Er ist manchmal etwas unberechenbar ... warte ... da ist er, glaube ich.« Ich spähte durch den Nebel und erkannte eine dunkle Gestalt. »Das sollte ein Mensch sein?« Die Größe und Breite ließ mich eher an einen Bären denken, doch bald schälte sich die furchteinflößende Gestalt von Arnust aus dem Dunst. Er war groß und er sah genauso grimmig aus, wie Mike ihn beschrieben hatte. Als wir vor ihm standen, überragte er mich um ein gutes Stück und ich musste zu ihm aufsehen, dabei bin ich fast 1.90 m groß. Die dunklen Augen in seinem wettergegerbten Gesicht musterten mich ausdruckslos. Seine dunkelbraunen Haare waren verwuschelt und halb lang, ebenso wie sein dichter, gleichfarbiger Bart, der sicherlich schon etliche Tage keine Rasur mehr gesehen hatte. Auch er trug sein Jagdgewehr in der Hand. Mir kam der Gedanke, dass ich kein Wild sein wollte, das in diese Augen starrt.

»Hey Arnust, schön dich wieder zu sehen«, sagte Mike. »Das hier ist Erol, ich habe dir von ihm erzählt.« Ich streckte dem Jäger lächelnd meine Hand entgegen, doch er ignorierte sie, sah mich nur eindringlich mit diesen dunklen Augen an.

Nach einem Moment drehte er sich zu Mike und sagte. »Seid ihr bereit, weiter zu gehen, oder«, dabei fiel sein Blick auf mich, »braucht ihr eine Pause?«

»Sicher«, erwiderte Mike. »Finde ein Wild für jeden von uns. Wir sind vollauf bereit!« Seine Begeisterung war ihm deutlich anzumerken. Ja, darum war ich hier. Um ein wehrloses Rotwild zu schießen. Warum? So genau kann ich das nicht sagen, nur dass ich es wollte. Lag es daran, dass ich mit meinen siebenundzwanzig Jahren in meinem Job feststeckte und die schlechten Bedingungen am Arbeitsmarkt mir keinen Wechsel erlaubten? Lag es daran, dass ich einen Chef hatte, der nie zufrieden war und keine davon Ahnung hatte, wie man Menschen führt, aber dafür ausbeuterisch und skrupellos agierte? Lag es daran, dass meine Freundin sich vor einigen Monaten von mir getrennt hatte? Oder nur ganz simpel daran, dass ich irgendwo tief in mir das dumpfe, archaische Gefühl verspürte, auf »die Jagd« gehen zu müssen?

Ich hatte Mike auf einer Jagdmesse getroffen, auf die ich nur zufällig geraten war. Wir waren ins Gespräch gekommen und der Enthusiasmus des zwei Jahre jüngeren Mannes für die Themen Jagd und Wildnis hatte mich angesteckt. Mike hatte mir dann auch von Arnust berichtet. Einem Kerl, der in der Wildnis haust und gelegentlich Möchtegern-Jägern zu einem Abschuss verhilft.

Gemütlich in einer Bar sitzend, mit einem Bier in der Hand, hatten wir uns dieses Abenteuer ausgemalt. Nun war ich müde nach der kalten Nacht im Wald. Gestern Morgen waren wir aufgebrochen und hatten einen Großteil der Wegstrecke zu unserem Treffpunkt mit Arnust hinter uns gebracht, bevor wir unsere Zelte aufschlugen. Doch einzuschlafen war nicht so einfach gewesen, trotz oder gerade wegen der Stille. Jetzt, müde und feucht im Morgennebel stehend, erschien mir die Aussicht, irgendein Reh zu erschießen jedenfalls keine so großartige Idee mehr zu sein.

Arnust führte uns zu einem Lagerplatz, den er für uns auserkoren hatte. Ich sah mich um. Die Bäume standen hier etwas lichter und ließen zwischen den Baumkronen große Stück des blauen Himmels erkennen. Nur ein paar Schritte entfernt, parallel zu unserem Lagerplatz, floss plätschernd ein schmaler Bach entlang, bevor er, aus für mich nicht ersichtlichen Gründen, plötzlich eine scharfe Biegung machte und zwischen den Bäumen verschwand. Mike entledigte sich seines Rucksacks. Seufzend tat ich es ihm gleich. Wir verwandelten den Inhalt unseres schweren Gepäcks in Zelte und sonstiges Zubehör. Arnust sah mir einen Augenblick dabei zu, wie ich versuchte, die Heringe in den harten Boden zu hämmern, dann kniete er sich neben mich. »Du musst den Untergrund prüfen, bevor du dein Zelt aufstellst. Hier ist er zu hart.« Trotzdem schlug er nun den Hering mit zwei kräftigen Schlägen in das Erdreich. Vielleicht hätte ich mich für meine Ungeschicklichkeit geschämt, wenn ich nicht so erschöpft gewesen wäre, doch in diesem Augenblick nahm ich Arnust Hilfe dankbar an. Als mein Zelt fest und sicher im Boden verankert war ,fragte er, ob ich ein Feuer machen könne.

»Klar ...«, sagte ich selbstsicher. Mike hatte mir bereits am Abend zuvor gezeigt, welches Holz sich am besten dafür eignet.

»Wir brauchen ein Feuer und genug Feuerholz, um es eine Weile am Brennen zu halten«, sagte Arnust.

»Kein Problem«, erwiderte ich. »Ich kümmere mich darum.« Ich war dankbar, zu etwas Nutze zu sein. Ich sammelte Feuerholz, während Arnust und Mike sich um die anderen Zelte kümmerten. Anschließend schuf ich eine kreisrunde Feuerstelle, die ich mit mehreren großen Steinen eingrenzte. Als ich dann an meiner hübschen Feuerstelle saß, ein großes Bündel trockener Zweige neben mir, versagte mein Feuerzeug. Es begleitete mich schon eine Ewigkeit, obwohl ich mittlerweile seit über fünf Jahren nicht mehr rauchte, und es hatte bislang nie versagt. Allerdings hatte es vorher noch nie eine lange kalte Nacht und eine feuchte Wanderung im Wald mitgemacht.

Arnust trat zu mir. Er nahm mir das Feuerzeug aus der Hand und betrachtete es eine Sekunde. »Unnütz«, sagte er dann. Er kniete sich nieder und schaffte es irgendwie innerhalb von nicht mal einer Minute, ein Feuer zu entzünden. Er benutzte dafür nur sein Messer, ein kurzes Jagdmesser, das er in einem Halfter an seinem Gürtel trug, Holz und etwas Moos. Als das Feuer brannte, erhob er sich und klopfte mir auf den Rücken. »Gutes Holz«, sagte er. Ich sah zu ihm auf. Er lächelte nicht, und seine Stimme klang ehrlich anerkennend. Seine Worte und die Berührung erwärmten mich, plötzlich kam mir der Morgen nicht mehr ganz so kalt vor. Als alles fertig war und ein Topf mit Bohnen und Speck über dem Feuer brutzelte, sagte Arnust. »Wir werden morgen jagen gehen.«

»Morgen?«, sagte ich und hob überrascht den Kopf. »Ich dachte heute ...«

»Ihr seid offensichtlich müde. Außerdem habt ihr zu viel Lärm gemacht. Jegliches Wild in mehreren Kilometern Umkreis weiß von euch. Falls ihr Kaninchen jagen wollt, wäre heute der richtige Zeitpunkt, ansonsten übernachten wir hier und brechen morgen auf.« Mir fröstelte es bei dem Gedanken. Das bedeutete noch mindestens zwei Nächte in der Wildnis. Mike und ich nickten. »Gut«, sagte Arnust ernst. »Morgen werden wir töten.« Plötzlich schien jegliche Wärme aus mir zu weichen.

Nach dem Essen erhob sich Arnust. »Ich werde baden gehen.« Ich sah Arnust an und fragte mich, ob er einen Scherz gemacht hatte. Allerdings lächelte er nicht. Aber da er noch nie gelächelt hatte, war ich mir nicht sicher, ob sein entspannter Gesichtsausdruck nicht auf ein Lächeln hindeutete.

»Ein Schaumbad?«, sagte ich spöttisch.

Arnust würdigte meine Worte keiner direkten Erwiderung, stattdessen erhob er sich. »Ein Gumpen, nicht weit von hier«, sagte er dann und ging die paar Schritte zum Bach, um dort im kalten Wasser seinen Esslöffel abzuspülen.

»Wir kommen mit«, sagte Mike und erhob sich. Ich zögerte einen Moment. Im eiskalten Gebirgswasser zu baden erschien mir augenblicklich keine sehr verlockende Aussicht zu sein, doch dann trottete ich den beiden hinterher. Nach einigen Minuten fiel mir auf, das Arnust und Mike ihre Gewehre mitgenommen hatten und fest in der Hand hielten. Ich sah kurz zurück und seufzte. Ich wusste nicht mal mehr, wo ich meines abgestellt hatte. Ich hatte erwartet, dass wir dem Bach neben unserem Lager folgen würden, doch Arnust führte uns stattdessen tiefer in den Wald. Bald hörte ich das Rauschen eines Gebirgsbaches und wenige Minuten später sah ich ihn. Es war nur ein schmaler Bach, kaum einen Meter breit, aber das Wasser floss schnell hinab und hatte sich schon tief in den Fels gegraben. Etwas oberhalb unserer Position hatte sich durch Erosion ein Becken von ca. fünf Metern Durchmesser gebildet, in dessen eine Seite der Bach hineinschoss und an anderer Stelle ebenso wieder herausfloss, um seinen Weg den Berg hinab fortzusetzen.

Während wir uns dem Gumpen näherten, kam endlich die Sonne hervor und im kristallklar glitzernden Wasser sah ich einige kleine Fische Reißaus nehmen. Arnust entledigte sich seiner Kleidung. Er hatte eine beeindruckende Statur. Seine Arme waren stark, seine Brust breit. Er war nicht, wie ich vorher vermutet hatte, wild behaart wie ein Bär. Die Haut an seinem Rücken und seinen Schulter war glatt und fast makellos, verziert nur durch einige kleine Narben und Schrammen. Auf seiner Brust bildete die schwarze Behaarung eine dichte Dreiecksform. Seine Schambehaarung war eine dunkle Umrandung um seinen Penis, der schlaff und erstaunlich groß zwischen den kräftigen behaarten Beinen baumelte.

Mike tat es ihm gleich und zog sich nackt aus, sein athletisch gebauter, glatter Körper war ebenfalls beeindruckend, aber wirkte neben Arnusts natürlicher Männlichkeit fast jungenhaft. Ich umso mehr, mit meinem schlanken Körper und dem glatten Bauch. Diese Statur hatte nicht dem Sport zu verdanken, sondern weil ich ein »schlechter Futterverwerter« war und gar nicht so viel essen konnte, um dick zu werden. Sport trieb ich kaum. In jungen Jahren hatte ich regelmäßig Handball gespielt, aber nun joggte ich nur noch gelegentlich durch den Park, wenn schönes Wetter war.

Arnust ließ sich ohne Aufhebens in das kalte Wasser herabsinken. Mike folgte ihm etwas zögerlicher. Ich sah, dass er eine Gänsehaut bekam. Arnusts Haut blieb glatt. Mein Abstieg in den Gumpen erfolgte deutlich vorsichtiger. Mein Schwanz und die Eier schrumpelten sofort zusammen. Als ich bis zur Hüfte im Wasser stand, war die Kälte fast unerträglich. Arnust lag am flach abfallenden Rand. Ich legte mich neben ihn. Nun umspülte einerseits das kalte Wasser meinen Körper, aber andererseits wurde ich durch die warmen Sonnenstrahlen gewärmt, so dass die Kälte erträglich wurde. Mike, der uns gegenüberlag, hatte schnell genug. »Scheißkalt! Außerdem muss ich pissen«, sagte er nach kurzer Zeit und verließ den Gumpen hastig.

Arnust sah mich an. »Ist dir auch zu kalt?«, fragte er.


... weiter geht es im Buch!